Korsika, die Insel der Hermann-Schildkröten
Die Insel Korsika wird oft als die vielseitigste im Mittelmeer bezeichnet. Als alter Sardinien-Fan enthalte ich mich hier der Stimme. Tatsächlich hat sich Korsika eine einzigartige Natur bewahrt. Eine in weiten Teilen unberührte Küste und eindrucksvolle weitläufige Berglandschaften, Wildnis pur, wie sie im Mittelmeerraum leider selten geworden ist.
Korsika ist ein Gebirge im Meer. Ausgesprochen grün mit ausgedehnten Waldgebieten im Landesinnern und unendlich erscheinenden mit uralten Stein- und Korkeichenwäldern durchsetzen Macchiaflächen. Die Macchia reicht oft direkt vom Meer bis ins angrenzende Bergland bis sie schließlich von den Stein- und Korkeichenwäldern und letztlich von den dunklen Waldgebieten verdrängt wird. Sicher ist über die Hälfte der Insel mit verwilderter Macchia bedeckt. Schon mal eine gute Grundvoraussetzung für das Leben der Schildkröten.
Der größte Teil der sehr buchtenreichen Küste ist felsig und schroff abfallend. Hügel und Berge reichen bis unmittelbar ans Ufer. Nur im Bereich von ins Meer mündenden Bächen und Flüssen befinden sich kleinere Ebenen. Praktisch in jeder Bucht findet sich ein Sand- oder Kiesstrand mit sehr abwechselnden oft recht bunten Farben, meist auch sehr abgelegen. Nur an der Ostküste erstreckt sich auf eine Länge von annähernd 100 Kilometern von Bastia bis Solenzara eine relativ schmale bis 10 Kilometer breite Ebene. Auffallend sind dort mehrere größere stehende Gewässer (Étangs) die vom Meer meist nur durch einen schmalen Sand-Damm getrennt sind.
Bislang ist Korsika vom Massentourismus tatsächlich noch verschont. Korsika Urlauber suchen vorwiegend Aktiv- und Campingurlaub. Aus diesem Grund gibt es nur wenige „Bettenburgen“ und die meisten Hotels sind klein und im Familienbesitz. Freilich verwandeln sich in den Ferienmonaten fast alle am Meer liegenden Städte und Ortschaften zu lebhaften Badeorten und die Hafenstädte sind überaus quirlig. Man findet jedoch immer noch verträumte Fischerdörfer und wenig abseits der Küstenregion auch noch wild romantische Bergdörfer die sich ihre Ursprünglichkeit bis heute erhalten haben.
Im Gegensatz zu der unmittelbaren Nachbarinsel Sardinien, kommt auf Korsika als einzige Landschildkrötenart nur die Westliche Unterart der Griechischen Landschildkröte Testudo hermanni hermanni vor. In Frankreich Hermann's tortoise, also Hermann-Schildkröte genannt.
Die korsischen Hermann-Schildkröten unterscheiden sich kaum von ihren südfranzösischen, sardischen und sizilianischen Artgenossen.
Es ist meines Erachtens praktisch unmöglich allein von der Erscheinung her einzelne Tiere einer bestimmten Population zuzuordnen. Aus diesem Grund verzichte ich an dieser Stelle auch auf eine Beschreibung der korsischen Hermann Schildkröte. Ohnehin betreffen diese Beschreibungen nur das jeweilige einzelne Tier oder mehrere nahe Verwandte aus einer Population und lassen regelmäßig keine weiteren Rückschlüsse auf die tatsächliche Herkunft zu. Sehen Sie sich die kleine Auswahl Bilder an und bilden Sie sich selbst ein Urteil.
Entgegen vieler Berichte erstreckt sich das Verbreitungsgebiet von Testudo hermanni hermanni auf Korsika genauso wie auf Sardinien praktisch auf alle geeigneten, wärmeren Landstriche mit dichter Vegetation auf die gesamte Insel. In der Hauptsache sind das alle meernahen ebenen Landschaften und Täler bis maximal 15 km ins Land hinein. Frei von natürlichen Vorkommen sind lediglich die extrem bergigen Regionen von südlich der Calanche bis südlich von Calvi, einschließlich dem Punta de la Revelata.
Heute kommen allerdings im Dessert des Agriates und am Cap Corse bis auf ein kleines Vorkommen ebenfalls keine Landschildkröten mehr vor. Im Landesinneren finden sich nur noch wenige Verbreitungsgebiete mit kleineren Populationen in Höhenlagen bis maximal 300 Meter, sehr selten bis 400 Meter. Auch diese Populationen im Landesinneren von Korsika sind allerdings an keiner Stelle mehr als 35 km vom Meer entfernt.
Die Hauptverbreitungsgebiete der Hermanns-Schildkröte liegen heute in der Ebene im Osten und auf der südlichen Hälfte der Insel. Die dichtesten Vorkommen befinden sich unmittelbar in den Küstenbereichen in zwei unterschiedlichen Habitaten. Zum einen in den unmittelbar an die Strände angrenzenden, oft nur mit einzelnen Bäumen wie Korkeichen, Sträuchern, Zistrosen und Grasbüscheln bewachsenen Zonen, welche oft durch Baumreihen von bewirtschafteten Flächen abgegrenzt sind.
Zum anderen in den mit dichter fast undurchdringbarer Macchia bewachsenen, ebenen, maximal leicht ansteigenden Arealen zwischen dem Meer und den Hügelketten.
Aufgrund der sehr sandigen Böden sind die strandnahen, manchmal erstaunlich schmalen Streifen, landwirtschaftlich kaum nutzbar. Selbst Weidewirtschaft findet hier kaum statt. Der Badetourismus tummelt sich nur unmittelbar am Meer, sodass die an die Strände angrenzenden Areale regelmäßig brach liegen und wenn überhaupt, nur auf den vorgegebenen Wegen betreten werden. Landeinwärts sind diese Streifen entweder von mehr oder weniger schmalen Wäldern eingegrenzt oder gehen direkt in bewirtschaftete Flächen über.
Diese mehrnahen Streifen sind vieler Orts als Naturreservate ausgewiesen.
Die mit Macchia oder mit niederen Kork- und Steineichenwäldern bewachsenen Hügellandschaften sind auf Korsika seit jeher nicht landwirtschaftlich genutzt und daher großteils derart verwildert, dass diese oft nur auf ausgetrampelten Tierpfaden betreten werden können. Die Strapazen werden dann aber immer wieder mit Lichtungen auf denen Schildkröten beobachtet werden können belohnt.
Regelmäßig haben wir Schildkröten aller Altersgruppen, insbesondere auch Schlüpflinge, junge Schildkröten und typische Eiablagegebiete gefunden, sodass großteils noch von einer funktionierenden Populationsdynamik ausgegangen werden kann.
Korsika ist zum Glück für die Natur und besonders natürlich zum Wohl der Schildkröten zumindest bislang von einem anhaltenden Bauboom, wie ihn andere Mittelmeerländer erlebt haben, verschont geblieben.
Dennoch ist in letzter Zeit, wie übrigens auch in Spanien, ein Anstieg der Bautätigkeit gerade in meernahen Macchiahügeln zu beobachten. Das bedeutet natürlich für die dort lebenden Schildkröten erhebliche Einschränkungen und für manches Tier auch den direkten Tod. Allerdings ist das, wie oft andernorts, nicht das Aus für die gesamte Population, weil im Umland, zumindest vorläufig noch genügend Raum zum Fortbestand der Population vorhanden ist.
In der für eine bereits im Bau befindlichen Feriensiedlung gerodeten Macchia habe ich in einer Radladerspur Reste einer überfahrenen Schildkröte gefunden.
Die weitaus größte Gefahr geht auch auf Korsika von den überhandnehmenden Wildschweinen und unzähligen verwilderten Hausschweinen aus. In den meisten Schildkrötengebieten sind offene Macchiaflächen regelrecht umgepflügt. Immer wieder findet man in Landstrichen mit noch intakten Populationen Reste von offensichtlich von den Schweinen gefressen Schildkröten.