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Die Landschildkröten in Nordostitalien

Typisches Dünengelände.

Obwohl es sich bei der gesamten Region um ein gut besuchtes Urlaubsziel handelt, ist über dortige Schildkrötenvorkommen wenig bis gar nichts bekannt. Der Grund liegt sicher darin, dass Touristen kaum dichtes Macchiagelände betreten und die Schildkröten in den Ferienmonaten Juli und August sehr versteckt leben.

Berichtet wurde immer wieder von Sichtungen einzelner Schildkröten. Diese wurden jedoch als ausgesetzte Tiere angesehen. Speziell in Italien wurde nach der Unterschutzstellung der Schildkröten viele Gartentiere ohne Rücksicht auf Art und Herkunft „freigelassen“.

Es wurde zwar vermutet, dass es möglicherweise auch an der nördlichen Adria natürliche Bestände gegeben haben könnte. Ein Nachweis stand jedoch bis dato aus. Zufällig gefundene einzelne Tiere wurden nicht näher klassifiziert, sondern allgemein nur als Griechische Landschildkröten bezeichnet.

Da es heute nördlich des 45. nördlichen Breitengrades keine natürlichen Vorkommen von europäischen Landschildkröten mehr gibt, war es eine Herausforderung den vorliegenden Nachweis zu erbringen.

Vor der Abfahrt an die Adria am 28.4.17 herrschte in Kressbronn starkes Schneetreiben, das Schildkrötengehege ebenso wie die vielen Kübelpflanzen lagen unter einer Schneedecke. Die Zitronen und Orangen hatten hohe Schneehauben.

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Die Fahrt über die Berge an die Adria durch Schneelandschaften.            Schneebedeckte Dolomiten.

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Unser neues Exkursionsfahrzeug, ein Wochner Mujaro 470 ABG. Nicht ganz so wendig wie der von mir konstruierte und gebaute Prototyp, jedoch genauso geländegängig. Im Prinzip dasselbe Fahrzeug nur eben 26 Jahre jünger, etwas länger, höher und breiter, dafür mit 190 PS, 7-Gang-Automatik und Tempomat wesentlich langstreckentauglicher.

An der Adria selbst war schönstes Sommerwetter.Ideale Bedingungen um in den Küstengebieten in Venezien und Friaul-Julisch Venetien im Nordosten von Italien nach Landschildkröten zu suchen.

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Zweck der Reise war möglichst viele Gebiete auf das Vorkommen von Schildkröten zu untersuchen. Aus diesem Grund beschränkte sich der Aufenthalt in den einzelnen als geeignet angesehenen Arealen jeweils nur auf einen kurzen Zeitraum und wurde bald abgebrochen, wenn keinerlei Hinweise auf das Vorhandensein von Schildkröten gefunden wurden. In Schildkrötenhabitaten findet man immer die typischen Trampelpfade, in sandigem Gelände Laufspuren, typische Fraßspuren an Blattpflanzen, Eischalen geräuberter Nester, Kot und Urinspuren und Teile von Panzern toter Schildkröten.

Letztlich wurden wir in drei Gebieten fündig. Diese drei Inselhabitate haben wir anschließend jeweils einen ganzen Tag lang von morgens bis in den Abend hinein regelrecht nach Schildkröten durchkämmt.

Bei schönstem Sonnenschein konnten wir insgesamt 42 adulte, 14 heranwachsende und 4 vorjährige Schlüpflinge finden.

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Die ersten Tiere, durchweg Männchen, fanden wir erst ab 09:15 Uhr. Erst ab diesem Zeitpunkt war der sich in den frühen Morgenstunden bildende Tau abgetrocknet. Der Sand im Gelände war teilweise noch feucht.

Die Weibchen kamen erst ab 10:00 Uhr heraus und sonnten sich vor ihren Verstecken.

Das größte der drei Gebiete haben wir an einem weiteren Tag aufgesucht. In der Nacht zuvor hatte es ausgiebig geregnet und auch tagsüber standen noch Wolken am Himmel.

Im Gegensatz zu den sonnigen Tagen wärmte sich das Gelände erst sehr spät und nur spärlich auf. Den ganzen Vormittag konnten wir keine einzige Schildkröte finden.

Um die Mittagszeit sahen wir leicht versteckt unter einem Busch ein Weibchen sitzen.

Erst um 14:00 Uhr begegnete uns, immer noch bei bedecktem Himmel, ein älteres Weibchen, welches schnellen Schrittes eine Lichtung überquerte.

Kurz darauf fanden wir bei immer wieder durchscheinender Sonne ein weiteres adultes Weibchen beim Schließen ihrer Eigrube. Wir konnten zumindest noch zwei Eier erkennen. Das Tier störten wir jedoch nicht weiter, weil es in solchen Inselpopulationen auf jedes Ei ankommt. Bereits in anderen Habitaten, insbesondere in der Toskana, auf Sardinien und in Albanien haben wir immer wieder Weibchen nach einem vorangegangenen Frühjahrsregen bei der Eiablage beobachten können.

Nachdem wir in allen drei Habitaten Schildkröten aller Altersklassen und auch sehr alte Tiere vorfanden, kann davon ausgegangen werden, dass die Populationsentwicklung noch gut funktioniert.

Dafür sprechen auch die unzähligen zerbrochenen Eier, welche von verschiedenen Eiräubern aufgrund der frischen Geruchsspuren punktgenau ausgegraben werden und noch lange in den Eiablagegebieten herumliegen.

Um die Tiere dieser Restpopulationen nicht unnötig zu stressen, wurden nur wenige adulte ältere Tiere vermessen und gewogen.

Obwohl die Obere Adria bereits zur gemäßigten Zone gerechnet wird, können sich in den wärmespeichernden, sandigen, sonnendurchfluteten und windgeschützten Biotopen durchaus mediterrane Temperaturen entwickeln.

Schlüpflinge und Jungtiere bis zu einem Alter von 5 Jahren entdeckten wir in klassischen Legegebieten, also tiefer liegenden Arealen mit niederem Grasbewuchs und hohem Grundwasserspiegel.

Schon bei den ersten Tieren viel auf, dass es sich nicht um die in Italien sonst ansässige Westliche Unterart der Griechischen Landschildkröte, sondern um die Lokalform der Östlichen Unterart Testudo hermanni hercegovinensis handelt.

 

In allen drei Habitaten fanden wir sehr unterschiedlich gefärbte Tiere. Dieselben dunkel gefärbten Tiere wie wir sie von Istrien her kannten.

Die klassischen heller gefärbten Tiere wie sie vorwiegend in Nord- und Mitteldalmatien und noch auf den Inseln Pag, Krk, Cres und Losinj vorkommenden.

Überwiegend fanden wir jedoch Mischfarben der beiden Varianten vor, wobei die Gliedmaße und Köpfe überwiegend dunkel gefärbt waren.

Den systematischen Status, sowie das Vorkommensgebiet der Dalmatinischen Landschildkröte habe ich sehr ausführlich bereits unter „Kroatienexkursion“ beschrieben.

Die Männchen in Nordostitalien werden mit 15 bis 17 cm und einem Gewicht bis 1000 g relativ groß. Auch die Weibchen sind mit bis zu 18 cm und einem Gewicht von 1200 g größer und schwerer als die südlicher lebenden Dalmatinischen Landschildkröten und die südwestlich angrenzende Westliche Unterart. Allerdings ist die größere Masse in klimatisch gemäßigteren und nördlicheren Zonen bei Schildkröten üblich.

Die Inguinalschilde der 60 untersuchten Landschildkröten fehlten bei 60 % der Tiere beidseitig. Bei 18,4 % waren sie einseitig und bei 21,7 % sogar beidseitig vorhanden. 65 % der Schildkröten hatten eine mehr oder weniger ausgeprägt vorhandene Schlüssellochzeichnung auf dem 5. Wirbelschild.

Ein außergewöhnliches Merkmal weisen die Bauchschilde der Tiere auf. Hier befindet sich regelmäßig ein zusätzliches Schild in Form einer Raute zu den Beinschilden hin. Selten sind die Rautennäte auch nur einseitig vorhanden oder nur oberflächlich ausgeprägt.

Bei den Dalmatinischen Landschildkröten in Kroatien kommen diese Rauten und auch einseitige Rautennähte eher selten vor. Bisher ging ich deshalb davon aus, dass es sich um einzelne Missbildungen handelt.

Bei Testuto hermanni böttgeri kommen diese Abweichungen kaum und bei Testudo hermanni hermanni nur sehr selten vor.

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Die Habitate liegen weitgehend naturbelassen und isoliert zwischen Feldern und sind aufgrund der Bodenbeschaffenheit und der Struktur des Geländes für die Landwirtschaft ungeeignet.

Aufgrund der erdgeschichtlichen Entwicklung ist anzunehmen, dass sich Schildkröten an der oberen und der mittleren Adria erst nach dem Ende der letzten Kaltzeit vor 12.500 bis 10.000 Jahren aus dem südlicheren Balkan angesiedelt haben.

Erfreulich ist, dass offensichtlich in diesen Habitaten die Wildschweine noch nicht derart überhand nehmen, dass sie eine direkte Gefahr für diese Restpopulationen darstellen.

Zur Lage der Habitate mache ich aus nachvollziehbaren Gründen keine näheren Angaben.

Freuen sie sich an den Bildern und der Tatsache, dass es auch nördlich des 45. nördlichen Breitengrades noch funktionierende Schildkrötenpopulationen in Habitaten gibt, die für die Landwirtschaft ungeeignet sind und aus diesem Grund hoffentlich noch lange erhalten bleiben.

 

Die nördliche Adriaküste ist ausgesprochen sandig und mit sehr vielen Lagunen, Wasserflächen, Flüssen und Bächen durchzogen. Immer wieder trifft man auf Europäische Sumpfschildkröten. Im Mai überqueren die Weibchen teilweise auch Straßen auf dem Weg zur Eiablage. Jungtiere sind relativ einfach auszumachen.

Ausgesetzte Schmuckschildkröten sind auch hier ein ernstes Problem.

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