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Wurmkur bei Schildkröten

Madenwürmer, Oxyuren einer freilebenden Tgi in Griechenland.
Spulwürmer, Askariden einer freilebenden Tgi in Bulgarien.

Ich bin mir darüber bewusst, dass dieses Thema sehr umstritten ist. Ich will hier mit meinen Erfahrungen und meiner Meinung einige Denkanstöße geben.

Vorbemerken möchte ich allerdings eins. Es gibt auch bei einem übermäßigen Parasitenbefall keine allgemein gültige Regel, es kommt immer auf den Einzelfall an. In meinen Büchern habe ich beschrieben, das bei einem übermäßigen Befall von Darmparasiten ein schildkrötenerfahrener Tierarzt entscheiden sollte, ob eine Wurmkur gemacht werden sollte oder nicht.

Wenn Sie sich bei der Haltung ihrer Tiere an meinen Büchern orientieren wird es zu einer solchen Entscheidung erst gar nicht kommen.

Wer seine Schildröten so naturnah wie möglich hält und artgerecht ernährt, hat sicherlich so gut wie keine krankheitsbedingten Probleme.

Auch in ihren natürlichen Lebensräumen haben die Schildkröten Madenwürmer (Oxyuren), Spulwürmer (Askariden) oder Einzeller wie Flagellaten (Hexamiten) oder Trichomonaden. Damit Leben die Tiere ohne irgendwelche Beeinträchtigungen. Selbst ein massenhafter Befall von Oxyuren und Askariden bringt frei lebende Schildkröten nicht zwingend aus dem Gleichgewicht. Ein solcher Massenbefall tritt vorzugsweise im Frühjahr durch ein Zuviel an eiweißreichen und rohfaserarmen Keimlingen und auch nach einem übermäßigem Genuss von Wildfrüchten auf. Sobald die Schildkröten wieder rohfaserreiches Futter, trockene Pflanzen, Heu und vor allem auch Blätter von Bäumen und Sträuchern fressen, reduzieren sich die Parasiten wieder auf ein natürliches Maß. Siehe Seite 206 ff. im Buch Futterpflanzen 3. Auflage.

Das funktioniert auch bei mir und bei vielen anderen erfahrenen Schildkrötenhaltern im Gehege. Wer seine Schildkröten artgerecht hält und füttert wird kaum eine massenhafte Vermehrung von Parasiten provozieren. Wie ich haben viele erfahrene ältere Halter noch nie daran gedacht gesunde Schildkröten mit Entwurmungsmitteln zu „vergiften“.

Eine Wurmkur schadet einem Pflanzenfresser aus vielen Gründen erheblich.

Zunächst einmal handelt es sich bei den Medikamenten, die den Schildkröten mehrfach hintereinander jedes Jahr verabreicht werden sollen, um giftige Substanzen (Neurotoxine, also Nervengift). Auch in niederen Dosierungen gehen die Toxine nicht unbeschadet an den Schildkröten vorbei.

Unser Organismus und generell der von Säugetieren ist bedingt in der Lage Reste von toxischen Stoffen abzubauen. Der Organismus von Reptilien ist hierzu jedoch nicht in der Lage. Die Giftstoffe werden in die inneren Organe eingelagert , was langfristig zu einer Beeinträchtigung und letztlich den Ausfall von Organen zur Folge haben kann.

Was jedoch kurzfristig wesentlich schwerer wiegt. Durch das Gift wird auch die Darmflora (Bakterien und Mikroorganismen) abgetötet. Zum einen direkt über das verabreichte Wurmgift, zum anderen aber auch durch die letztlich im Darm getöteten und vor sich hin faulenden Würmer. Mit diesem Schwall an Eiweißen und Fetten gibt die auf rohfaserreichen Pflanzenbrei ausgerichtete Darmflora letztlich dann vollständig auf.

Die Darmflora ist für einen Pflanzenfresser lebensnotwendig. Ihr werden nährende, schützende, stoffwechselanregende und immunologische Funktionen zugeschrieben. Siehe Seite 52 und S. 214 ff. im Buch Natürliche Haltung und Zucht ...

 

Ohne die Darmflora kann die Nahrung nicht aufgeschlossen und die Nährstoffe dem Organismus nicht zugeführt werden. Einfach ausgedrückt: Die Schildkröte hat zwar gefressen, aber keine Nährstoffe zu sich genommen und verhungert.

 

Die Darmflora schützt den Organismus auch vor Infektionen, indem sie die Ansiedlung krankheitserregender Keime abwehrt. Sie ist außerdem für die Bildung lebenswichtiger Vitamine und Fettsäuren zuständig.

 

Nicht nur die Ernährung, sondern auch die Haltung hat einen Einfluss auf den Darm. Stress und Bewegungsmangel wirken sich äußerst negativ aus.

Landschildkröten sind als ausgesprochene Bodenbewohner in besonderem Maße mit dem Boden verbunden und außerordentlich gestresst, wenn Sie ständig aufgehoben, herumgetragen oder sonst drangsaliert werden. Stress gilt als wesentlicher Auslöser psychischer und körperlicher Krankheiten.

Leider sieht man den Schildkröten diesen negativen Stress und auch die Anzeichen einer Krankheit erst an, wenn es fast schon zu spät ist.

Ich bin mir sehr wohl darüber bewusst, dass es viele Schildkrötenliebhaber gerne anders sehen aber, wie bereits erwähnt sind Schildkröten von Natur aus Tiere die ständig mit dem Boden in Kontakt stehen und Artgenossen nicht brauchen um zu „kuscheln“ Leider auch nicht den Menschen. Es ist für Schildkröten daher völlig unnatürlich vom Boden aufgehoben und hin und her transportiert zu werden. Das verursacht den Tieren negativen Stress und macht sie auf Dauer krank. Leider erleidet auch eine an sich gesunde Schildkröte selbst durch den Transport zum Tierarzt negativen Stress.

Natürlich bauen auch Schildkröten, übrigens nicht nur in Gefangenschaft (siehe hierzu „Freilebende Wasserschildkröten fressen aus der Hand“ -wird in Kürze in der Rubrik Interessantes eingestellt) über das ihnen gereichte Futter eine gewisse Beziehung zu ihrer Futterquelle auf. Diese Zuneigung „zur Futterquelle“ wird aber von vielen Haltern falsch interpretiert und die Tiere werden dann ständig durch herumhantieren weiter gestresst. Schildkröten sind absolut instinkgesteuert und werden nicht zahm. Meine Schildkröten kommen auch angelaufen, wenn ich am oder im Gehege unterwegs bin, aber nicht um hochgehoben und gestreichelt zu werden, sondern nur um zu schauen ob es etwas fressbares gibt.

Ein gutes Erkennungszeichen für eine beginnende Verschlechterung des Gesundheitszustandes, ist das Gewicht.

Eine Schildkröte in der freien Natur ist etwa so schwer, wie ein gleichgroßer Stein. Fühlt sich das Gewicht ihrer Schildkröte leichter an, sollten sie die Haltung überdenken.

 

Eine geschädigte oder bei einer Wurmkur völlig zerstörte Darmflora baut sich nur äußerst langsam wieder auf. Insbesondere wenn alle Tiere eines Bestandes entwurmt worden sind. Es kann tatsächlich mehrere Wochen bis Monate dauern, bis die Darmflora ihr natürliches Gleichgewicht wieder generiert hat. Bis dahin ist das Tier krank!!

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